Dienstag, 3. Januar 2006

wahre Liebe

Als wir zum ersten mal mit ihm arbeiteten, hatte ich das Gefühl, dass wir einen endlos weiten Weg vor uns hätten ..... Er bot keine, nicht die geringste Reaktion. Kein Zucken seiner Wimpern, keine Bewegung seiner Augen verriet, ob auch nur eine unserer Berührungen oder Worte bei ihm ankam.
Drei Tage arbeiteten wir "passiv". Daran, sein Vertrauen und seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Winzig kleine Bewegungen, langsam und mit beständiger Information über unser Tun.
Nichts - keine Reaktion.

Am vierten Tag hatten wir vor, das passive Aufrichten des Oberkörpers zu üben. Er hatte keine Rumpfkontrolle, pushte stark auf seine betroffene Seite, kippte in Rückenlage, und konnte keine Bewegung gezielt nach Aufforderung ausführen.
Plötzlich öffnete sich die Türe, und eine kleine, füllige, lebendige Frau schob sich ins Zimmer. Vermummt in einen dicken Schal.
"Jo Kurti ! Du tuast jo scho sitzen...!" rief sie mit einem herzlich erfreuten Lachen aus.

In dem Moment, passierte das Wunderbare ... Als er ihre Stimme hörte - er konnte sie noch gar nicht sehen - riss er seinen Kopf hoch, seine Augen wurden weit und suchten den Raum ab. Als er sie wahrnahm, entspannten sich seine Züge und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.

Wir waren verblüfft über diese starke Reaktion und baten sie, sich neben ihn auf das Bett zu setzen. Auf jene Seite, auf die wir wollten, dass er sein Gewicht verlagert. Es funktionierte - er lehnte sich an sie, hörte auf in die Gegenrichtung zu pushen, legte den Kopf auf ihre Schulter und schaute - zum ersten mal - bewusst nach "außen".

"So a schlechtes Wetter is heut draußen", sagte sie zu ihm weiter. "Schau raus wies schneit, Kurti !" Und tatsächlich richtete er seinen Blick zum Fenster. "Weißt wer mich hergeführt hat? Der XY, weil die Busse nicht fahren, wegen dem Schnee."
Er schien einen Moment zu überlegen wer XY sei, und nickte dann fast unmerklich - so, als wäre er zufrieden.
Viel erzählte sie ihm noch, und streichelte ihm dabei die ganze Zeit über das Gesicht und küsste ihm immer wieder die Wange ...

Wir zogen uns für ein paar Minuten still zurück und ließen die beiden in ihrer Vertrautheit - unfähig unsere Rührung zu verbergen, ließen die Tränen einfach rinnen ...

Seit diesem Tag ist Frau H. täglich bei den Therapien aktiv dabei, und ihr Mann entwickelt sich in Riesenschritten, fast unglaublich.
Manchmal wirkt die Anwesenheit von Angehörigen stark hemmend auf Menschen, und manchmal wie ein heilsames Wunder.

Ich habe selten so eine selbstverständliche, unaufdringliche und tiefe Verbundenheit zwischen zwei Menschen gesehen wie zwischen Herrn und Frau H. 54 Jahre sind sie verheiratet erzählte sie, und lieben einander wie am ersten Tag.

Was die beiden nicht wissen, dass jenes Erlebnis mein schönstes Weihnachtsgeschenk war...

***
JohanneS (Gast) - 2006/01/04 14:53

Momente wie dieser können bestimmt sehr viel aufwiegen...

Ich wünsch dir jedenfalls noch gaaaanz viele Erlebnisse dieser Art! :-)

Nici (Gast) - 2006/01/05 19:01

Es berührt mich tief...

Gefühle sind einfach die schönsten Geschenke dieser Welt.

m...t (Gast) - 2006/01/11 10:35

du hast einen ganz mit wundern durchzogenen beruf.
das geschieht dir recht.
:-)

sravana - 2006/01/12 00:32

wunderschön

ein solche Liebe. Ich bin froh, dass es so etwas noch gibt.

Kind der Sonne

>>>>> geht neue Wege >>>>

das Meer ...

unendliche Weite der Bewegung, grenzenlose Form von Zeit.

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